Gedanken zur Seilbahn auf den Kahlenberg

Der Hintergrund und das Urteil

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.03.2022 (W2342228145-1/205E) hebt den Bescheid der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vom 09.12.2019, Zl. BMVIT-230.491/0010-IV/E6/2019 irreversibel auf, das den Antrag auf Erteilung der Konzession zum Bau und Betrieb der „Seilbahn Kahlenberg“ abgewiesen hatte und erteilt damit die Konzession zum Bau der Seilbahn auf den Kahlenberg ausgehend von Heiligenstadt über Strebersdorf. In den betroffenen Gemeinden Kahlenbergerdorf (Stoppt die Seilbahn), Floridsdorf und Strebersdorf hatte es starken Widerstand gegen das Projekt gegeben. In der Begründung hieß es, dass ein sehr starkes öffentliches Interesse durch Förderung des Tourismus und der Binnenerholung das starke entgegenstehende Interesse des Landschafts- und Naturschutzes in der Abwägung übertreffe. Hierzu wird die Prognose aufgeführt, dass 500.000 touristische Fahrgäste schon während der ersten beiden Jahre und 70.000 zusätzliche Nächtigungen mit zusätzlichen Einnahmen der Stadt Wien und 280 zusätzlichen Beschäftigte außerhalb des Seilbahnunternehmens durch das Projekt entstehen würden.

Unterstellen wir einmal, dass diese optimistische Einschätzung der Antragssteller bzw. Kläger und zukünftigen Betreiber zutrifft.

Die Attraktivität des Dörfls leidet

Mit Masten von bis zu 63 m Höhe am Leopoldsberg und im Weingarten des Stifts an dessen Fuß wird die Idylle des Dörfls geschmälert

Klimaeffekte der Seilbahn

Der direkte Beitrag der Seilbahn zur Klimaerwärmung ist moderat

Seilbahnen sind recht ökologische Transportmittel. Bei 50% Auslastung beträgt der CO2-Ausstoss pro Personenkilometer mit dem günstigen Vorarlberger Strommix nur 27g. Allerdings wird die Auslastung bei den im Urteil als Minimum angegeben 342 Betriebstagen und 6 Betriebsstunden pro Tag, dem optimistischen Ziel von 600.000 beförderten Personen pro Jahr, der maximalen Förderleistung von 1800 Personen/h und der unrealistischen Annahme, dass alle die gesamte Strecke Heiligenstadt-Kahlenberg zurücklegen, nur 16% betragen. Realistisch wären 10%. Die Fördergeschwindigkeit bzw. -leistung kann bei so schlechter Auslastung nur begrenzt stromsparend reduziert werden und wir leben in Wien mit bis zu 300 g/ (für zusätzliche und daher vorwiegend aus Deutschland oder Tschechien importierte) kWh, sodass der direkte Beitrag zur Klimaerhitzung aktuell ca. 500 t/Jahr betragen dürfte.

Der indirekte Beitrag durch die erhoffte Steigerung des Ferntourismus ist viel größer

Viel bedeutsamer stellt sich die Frage, ob die Steigerung des Ferntourismus angesichts der dadurch entstehenden CO2 Emissionen im Flugverkehr noch im öffentlichen Interesse ist: 2019 waren von den 7.926.768 Gästen 1.650.439 aus Österreich und 2.188.481 aus Nachbarländern, aber 2.193.860 aus entfernteren europäischen Ländern (die zum Großteil mit dem Flugzeug kommen dürften mit ca. 0,4-0,6 t/Person) und 644.489 aus Amerika (2,5-4 t/Person), 43.521 aus Afrika (ca. 1-2t/Person), 1.089.737 aus Asien (5 t/Person), 73.517 aus Australien/Neuseeland (6,4 t/Person) und 42.724 aus sonstigem Ausland/unbekannt. Unter den Annahmen, dass es sich bei den im Urteil des BVG vermerkten 70.000 zusätzlichen Nächtigungen um zusätzliche Gäste und nicht eine Verlängerung des aktuell durchschnittlich 2,4-tägigen Aufenthalts in Wien geht und dass der beschriebene Mix der Herkunftsländer für diese repräsentativ ist, dürften ca. 15.000 der 30.000 zusätzlichen Gäste mit dem Flugzeug und ein Teil der übrigen mit dem PKW anreisen. Daraus lässt sich anhand der Distanzen bei der An- und Abreise berechnen, dass rund 35.000 Tonnen CO2 zusätzlich pro Jahr emittiert werden. Die Externalitäten dieses CO2 Ausstoßes werden aktuell auf 195 Euro/Tonne CO2 geschätzt. Es entsteht also ein zusätzlicher Schaden knapp 7 Mio. Euro pro Jahr. Dieser Schaden würde zwar zum Teil auch bei Ausweichen der Touristen auf alternative Fernurlaubsdestinationen auftreten, dennoch wird dadurch der in der Urteilsbegründung behauptete sehr große öffentliche Nutzen in Frage gestellt. Immerhin müssen wir laut Klimazielen in den kommenden 8 Jahren den CO2 Ausstoß halbieren.

Für eine Naherholung der Wiener ist die Seilbahn nutzlos

Angesichts der Epidemie von Übergewicht, Adipositas und metabolischen Folgeerkrankungen stellt sich auch die Frage, ob der Aufstieg zu Fuß über den Nasenweg, oder gemütlicher über den Waldbachsteig für die Naherholung der Wiener Bevölkerung nicht die bessere Option wäre als eine Fahrt mit der Seilbahn. Die Ausblicke vom Leopoldsberg, oder von der Flanke des Nussbergs stehen dem von der Gondel aus sicher nicht nach. Eine weitere Verbesserung der Attraktivität ließe sich erzielen, wenn der privaten Pächter das Nationaldenkmals des Schlosses/der ehem. Burg auf dem Leopoldberg mit der Filialkirche zum Hl. Leopold nicht 11 Jahre für die Öffentlichkeit unzugänglich gemacht hätte und heute besser präsentieren würde.

Schlussfolgerungen aus dem Urteil für Projekte der erneuerbaren Energiegewinnung

  1. Kurzfristige wirtschaftliche Interessen können Landschafts- und Naturschutzinteressen sowie Interessen der Anwohner in den Quartieren aushebeln.
  2. Das ist einerseits bedenklich, aber zugleich ein hochrelevanter Präzedenzfall für blockierte Projekte zum Klimaschutz, wie z.B. Windrädern oder PV-Anlagen in ertragssicherer Lage (auch in den Wiener Bergen). Weil das öffentliche Interesse zum Klimaschutz und zur Energiesicherheit bzw. Unabhängigkeit von russischer fossiler Energie mindestens so hoch einzuschätzen ist, wie das öffentliche Interesse bei der Seilbahn Kahlenbergerdorf über die Anlockung von Touristen Einnahmen zu generieren, sollte auch diese die zuwiderlaufenden Interessen bzgl. Landschafts- und Naturschutz übertrumpfen. Die menschengemachte Klimaerhitzung wird einhellig als die größte Herausforderung der Menschheit bezeichnet und neben hohem öffentlichem Schaden durch Extremwetterereignisse wird auch der Wintertourismus darunter erheblich leiden.
  3. Wie kann es sein, dass keine naturschutzrechtliche Bewilligung und keine UVP für die Seilbahn erforderlich war und ein „naturschutzrechtliches Einreichoperat“ als Anlage zum Antrag genügte?
  4. Wie kann es sein, dass die Konzession gegen die Interessen der Anrainer verwaltungsgerichtlich erzwungen werden konnte, während dies bei Projekten zur erneuerbaren Energie nicht der Fall ist?